Bei den einen löst Künstliche Intelligenz (KI) Angst davor aus, den Job zu verlieren. Bei anderen entsteht Goldgräberstimmung. Die Wahrheit liegt in der Mitte. Eine Bestandsaufnahme.
Eine gute und eine schlechte Nachricht. Zunächst die schlechte. Künstliche Intelligenz und Digitalisierung gefährden jede Menge Jobs. Auch und sogar gerade in der IT-Branche. Jetzt zur Guten. Gleichzeitig macht KI viele Jobs einfacher und produktiver. Und sie schafft direkt und indirekt sogar neue. Vor allem die IT gilt deswegen als dynamische Zukunftsbranche. Furcht vor der neuen Technologie ist daher genauso unbegründet, wie der enorme Hype rund um ChatGPT und ähnliche Anwendungen.
Digitalisierung und KI sind eine Black Box
Dass Digitalisierung und KI viele Arbeiten übernehmen werden, ist bei Expert:innen und Branchenbeobachter:innen unbestritten. In welchem Ausmaß, hängt ganz von der Studie oder Umfrage ab, die man heranzieht. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hat beispielsweise errechnet, dass in Zukunft rund 14 Prozent aller Jobs von Maschinen und Programmen erledigt werden. Das Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) geht von 25 Prozent aus. Noch einen Schritt weiter geht Universität von Oxford. Sie kommt zu dem Schluss, dass 47 Prozent aller Arbeiten (in den USA) automatisierbar seien.
Die IAB-Studie lohnt sich besonders, denn hier werden einzelne Branchen analysiert. Das Institut hat dabei für jeden Bereich das sogenannte „Substituierbarkeitspotenzial“ errechnet. Wer einen Job hat, bei dem 70 Prozent der Arbeit oder mehr von einem Computer – oder eben einer KI – erledigt werden können, wird mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit durch eine Maschine ersetzt. Nach Analyse der Berufe kommt die Studie zu dem Schluss, dass in der IT-Branche ein extrem hohes Substituierbarkeitspotenzial herrscht.
Die Studie begründet es damit, dass viele Aufgaben von IT-Fachkräften Routineaufgaben seien, bei denen sie bereits zum Zeitpunkt der Studie von Computern und KI unterstützt würden. Die Studie des IAB wird zwar heute noch im deutschsprachigen Raum herangezogen, wenn es um die Jobgefährdung durch Digitalisierung und KI geht, doch die Arbeit hat einen Haken. Sie stammt aus dem Jahr 2015 und die verwendeten Daten sind mittlerweile zehn Jahre alt. Gerade in der IT-Branche ist das eine Ewigkeit.
Schnelle Entwicklung der KI
In dieser digitalen Ewigkeit hat die Künstliche Intelligenz nahezu einen Quantensprung gemacht. Dazu kommt, dass sich – auch bedingt durch diese Fortschritte – das Nutzungsverhalten der User grundlegend geändert hat. Drei Beispiele machen das deutlich. Erstens hat sich die Cloud-Technologie auf breiter Basis durchgesetzt. Längst haben dadurch auch kleinere und mittlere Unternehmen die technischen Möglichkeiten, die früher nur großen Konzernen offenstanden. Von der Möglichkeit des Skalierens und der Wartung bis zum weltweiten Trend zur Remote-Work (befeuert durch die Corona-Pandemie). Zweitens ist KI auch zu einer Gefahr geworden. Hacker benutzten die lernende Software für Angriffe auf Systeme. Hier muss auch auf Seiten der Sicherheit reagiert werden. Und drittens ist der Trend des Internet-of-Things überhaupt nicht berücksichtigt. Hier entstand in der Zwischenzeit ein komplett neues Berufsfeld.
An dieser Stelle kommt die Boston Consulting Group (BCG) ins Spiel. In ihrem Report „Future of Jobs“ hat die Unternehmensberatung insgesamt 35 Stellenprofile erstellt, die in naher Zukunft besonders gefragt sein werden. Vor allem die IT-Branche kam dabei gut weg. Neueinsteiger profitieren hier einerseits vom enorm schnellen technischen Fortschritt. Und andererseits von der Pensionierungswelle der Boomer-Generation. Derzeit sieht es so aus, als käme ein enormer Fachkräftemangel auf die Unternehmen in dieser Branche zu. Laut BCG gehören Analysten für Cybersicherheit, Data Scientist, Softwareentwickler sowie Research Scientists für Künstliche Intelligenz (KI) zu den IT-Berufen, an denen es die größten Nachfragesteigerungen gibt.
Zwischen Hype und Realität: Das kann Künstliche Intelligenz
Natürlich gibt es auch diejenigen, die an einen vollständigen Siegeszug der KI glauben. Bei OpenAI selbst soll es Pläne – oder besser: Visionen – geben, die Programmierer:innen durch die selbsterschaffene KI zu ersetzen. Als Buzzfeed angekündigt hatte, in Zukunft Content von einer KI erstellen lassen zu wollen, verdreifachte sich innerhalb von zwei Tagen der Börsenkurs des Medienunternehmens.
Eine eindeutige Studienlage dazu, ob Digitalisierung und KI nun Arbeitsplätze kosten oder welche schaffen, gibt es nicht. Weil die Wirklichkeit in der Mitte dieser schwarz-weiß-Sichtweise liegen dürfte. Oded Netzer ist Professor an der Columbia Business School. Er glaubt, dass KI vor allem als Tool zu sehen ist. „In Bezug auf die Arbeitsplätze denke ich, dass es in erster Linie eine Verbesserung als ein vollständiger Ersatz von Arbeitsplätzen ist“, sagte er dem Magazin CBS MoneyWatch.
Diesen diplomatischen Mittelweg schlägt auch die Unternehmensberatung McKinsey in ihrer Analyse ein. „Wir müssen diese Dinge als produktivitätssteigernde Werkzeuge betrachten, im Gegensatz zu einem vollständigen Ersatz“, fasst Anu Madgavkar, Expertin für Unternehmensstrategie bei McKinsey, die Ergebnisse ihrer Analyse zusammen. Eine KI könne einen Großteil der Arbeiten klassischer IT-Berufe erledigen – beispielsweise im Bereich der Programmierung und der Datenwissenschaft. „Es gibt eine Menge menschliches Urteilsvermögen, das in jeden dieser Berufe einfließt“, schränkt Madgavkar allerdings ein.
Und auch der KI-Hype an der Börse sieht eher wie ein Strohfeuer aus und weniger wie das Ergebnis einer nachhaltigen Entwicklung. Oder der Glaube an eine grundlegende Änderung der Geschäftspraktiken. Der Börsenkurs von Buzzfeed ist mittlerweile wieder um fast 50 Prozent eingebrochen. Auch Meta löste die Ankündigung, dass künftig in „so gut wie jedem Produkt“ verstärkt auf KI gesetzt werden würde, einen kleinen Kurssprung aus (was auch an zeitgleichen Aktienrückkäufen gelegen haben dürfte). Nachdem die Jahreszahlen 2022 verkündet waren (minus 4,5 Prozent beim Umsatz, minus 55 Prozent beim Gewinn) war jedenfalls auch hier die Ernüchterung groß.
Digitalisierung und KI sind weder der Untergang einzelner Branchen noch deren Rettung. Die Berufsbilder werden sich ändern, Jobs werden effizienter. Wichtig für Unternehmen ist, Schritt zu halten. Mit Aus- und Weiterbildung. Gerade für kleinere und mittlere Unternehmen kann Outsourcing an einen Spezialisten, der sich rund um die Uhr mit diesen Themen beschäftigt, eine kostensparende Option sein.